Die chinesische Sprache
1. Was für eine Sprache ist Chinesisch?
Chinesisch gehört zur Gruppe der sinotibetischen Sprachen, zu der auch Tibetisch und Burmesisch, nicht jedoch Japanisch und Koreanisch gehören. Es wird von 1,2 Milliarden Menschen gesprochen, also etwa von einem Sechstel der Menschheit. Damit ist es die meistgesprochene Muttersprache der Welt. Auch wenn man berücksichtigt, dass im südchinesischen Raum lokal mehrere sehr unterschiedliche chinesische („sinitische“) Regionalsprachen verwendet werden, sprechen dank moderner Massenmedien inzwischen jedoch fast alle Chinesen auch die standardisierte Hochsprache „Putonghua“ (die im anglophonen Raum meist als „Mandarin Chinese“ bezeichnet wird).
Alle Sprecher des Chinesischen benutzen eine gemeinsame Schrift, die über eine Geschichte von über 4000 Jahren verfügt und Träger der längsten ununterbrochenen Kultur- und Literaturtradition der Welt ist und die Kulturen Ostasiens entscheidend geprägt hat. Im Vergleich zu alphabetischen Schriftsystemen kostet ihre Beherrschung zwar deutlich viel mehr Zeit und Mühe, gesprochenes Chinesisch ist hingegen für deutsche Muttersprachler nicht schwerer zu erlernen als eine romanische oder slawische Fremdsprache.
2. Warum sollen moderne Europäer Chinesisch lernen?
Chinesisch ist schon seit Jahrtausenden die wichtigste Verkehrssprache im ostasiatischen Raum. Schon vor der Gründung der VR China (1949) wurde es zu einer der heute sechs Amtssprachen der Vereinten Nationen erklärt. Inzwischen ist Chinesisch nicht mehr nur die Sprache mit den weltweit meisten muttersprachlichen Sprechern, sondern auch hinsichtlich Bruttoinlandsprodukt als auch Nutzung im World Wide Web nach Englisch die zweitwichtigste Sprache der Welt. Jeder, der China bereist oder mit Chinesen in Kontakt kommt, macht angesichts des Reichtums der chinesischen Kulturgüter die Erfahrung, wie begrenzt und relativ das abendländisch geprägte Wissensgut ist, und dass sich die Gesellschaft und Kultur Chinas letztlich nur demjenigen erschließt, der auch die chinesische Sprache beherrscht. So bedeutsam die Förderung der europäischen Einigung auch sein mag, sie kann und darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass das 21. Jahrhundert maßgeblich von den Entwicklungen im asiatisch-pazifischen Raum geprägt sein wird. Die Weltbank prognostiziert, dass China schon bald die stärkste Wirtschaftsmacht auf dem Globus sein wird. Allein die Fakten und Aussichten einer globalen großchinesischen Wirtschaftsgemeinschaft genügen, um jungen Europäern die Notwendigkeit einer intensiven Beschäftigung mit dem chinesischen Kulturraum plausibel zu machen. Nicht minder bedeutsam ist das Argument, dass die Auseinandersetzung mit einer der größten und ältesten, aber bei uns nach wie vor weitgehend unbekannten Weltzivilisationen vielleicht das beste Mittel ist, um Nationalismus und Eurozentrismus entgegenzuwirken. Chinesisch zu lernen bedeutet daher auch, zur Verständigung und zum Frieden in einer stets enger zusammenrückenden Welt beizutragen.
3. Seit wann gibt es Chinesisch als Fremdsprache?
Wirklich ernst genommen wird Modernes Chinesisch als Fremdsprache eigentlich erst seit der Reform- und Öffnungspolitik der VR China ab 1979 - sowohl in China als auch bei uns. Zwar gab es schon in früheren Jahrhunderten westliche Chinaexperten, insbesondere Missionare, mit hervorragenden Sprachkenntnissen. Aber erst mit der Einrichtung sinologischer Lehrstühle an einzelnen Universitäten am Anfang des 20. Jahrhunderts begann in Deutschland die reguläre wissenschaftliche Beschäftigung mit China und der vormodernen chinesischen Schriftsprache. Ein breitgefächertes Unterrichtsangebot in Modernem Chinesisch inner- und außerhalb der sinologischen Institute entstand im deutschsprachigen Raum erst seit dem Beginn der achtziger Jahre. Ganz analog verlief die Entwicklung in China selbst, wo sich seit den 1980er Jahren die Fachdisziplin Chinesisch als Fremdsprache als akademische Ausbildung etabliert hat. Seit 2010 sind in Deutschland an mehreren Standorten Lehramtsstudiengänge für Chinesisch entstanden, wo Chinesisch in Kombination mit einem Zweitfach auf das Lehramt an weiterführenden Schulen studiert werden kann. (Näheres unter „Lehrerausbildung“)
4. Wo kann man Chinesisch lernen?
Chinesischkurse gibt es in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz an den meisten Universitäten und Hochschulen als Sprachkurs, im Rahmen von sinologischen oder regional-, wirtschaftswissenschaftlichen und Lehramts-Studiengängen auch in größerem Umfang angeboten. Mit steigender Tendenz wird Chinesisch 2018 an mehr als 80 Sekundarschulen in den meisten deutschen Bundesländern als Wahlpflichtfach mit Abiturprüfungsmöglichkeit unterrichtet (Näheres dazu unter “Curricula”), hinzu kommen zahlreiche Arbeitsgemeinschaften (AGs) an Schulen. Darüber hinaus bieten fast alle Volkshochschulen und spezielle Einrichtungen wie 18 Konfuzius-Institute in Deutschland Chinesischkurse teils in intensiver Form an (siehe “Institutionen”).
Selbstverständlich ist es sinnvoll, Chinesisch im chinesischsprachigen Raum in authentischer Umgebung zu lernen: In China selbst, einschließlich Taiwan und Hongkong, führen über 300 Hochschulen und zunehmend auch private Institute Chinesischkurse für Ausländer durch. Unsere Erfahrungen zeigen allerdings, dass es ratsam ist, nicht vollkommen ohne Vorkenntnisse nach China zu gehen, sondern einem Sprachkurs in China einen Einführungskurs im deutschen Sprachraum, in dem Strukturen und Prinzipien auf Deutsch erklärt werden können, vorzuschalten.
5. Wie viele Menschen lernen Chinesisch?
An den Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es einige Tausend Chinesisch-Studierende, wobei sich die überwiegende Mehrzahl aus Studierenden der sinologischen und chinawissenschaftlichen Studiengänge rekrutiert. Einschließlich der Gymnasien, Volkshochschulen und sonstigen Kurse dürfte die Gesamtzahl der Chinesischlernenden im deutschsprachigen Raum gegenwärtig annähernd 10.000 betragen. Die Spitzenstellung in Europa nimmt Frankreich ein, wo es rund 10.000 Hochschulstudenten und über 500 Grund- und Sekundarschulen mit Chinesischunterricht geben soll. In Japan, Südkorea und Südostasien geht die Lernerzahl in die Millionen. In den USA bieten zahlreiche High Schools Chinesisch an, und Chinesisch in all seinen Varietäten ist in den letzten Jahren nach Englisch und Spanisch die drittgrößte Sprache der USA geworden.
6. Wer kann die chinesische Sprache erlernen?
Das Image einer „exotischen" und „unerlernbaren" Sprache hat Chinesisch weitgehend abgelegt. Es ist eine Fremdsprache wie jede andere auch. Das bedeutet, dass grundsätzlich jeder die Fähigkeit besitzt, Chinesisch zu lernen, der auch in der Lage ist, sich Kenntnisse in Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch usw. anzueignen. Im chinesischsprachigen Raum selbst leben inzwischen Tausende Europäer, die sich dort auf Chinesisch verständigen können. Profunde Chinesischkenntnisse gelten keineswegs mehr als Privileg akademischer Außenseiter. Sie sind heutzutage lediglich ein alltäglicher Ausdruck der vielfältigen konventionalisierten Beziehungen zu China und seinen Menschen. Gleichwohl hat das Erlernen dieser Sprache nichts an Faszination eingebüßt, weil jeder Lernfortschritt bisher unbekannte Welten eröffnet.
7. Wie wird Chinesisch heute gelehrt und gelernt?
Die zügige Entwicklung einer auf wissenschaftlicher Forschung basierenden Didaktik des Chinesischen als Fremdsprache in China und in der übrigen Welt ermöglicht heute eine zielorientierte und systematische Ausbildung in chinesischer Sprache mit modernen kommunikativen Methoden, Lehrmaterialien und Hilfsmitteln, wie sie auch für andere Fremdsprachen üblich sind. Die erfreuliche Bilanz der letzten Jahre besagt allerdings nicht, dass bereits überall ideale didaktisch-methodische Bedingungen vorherrschen. Die beständigen Fortschritte auf diesem Gebiet lassen jedoch weitere Verbesserungen für Lernende und Lehrende erwarten.
Ein Selbststudium der chinesischen Sprache scheint allenfalls im Hinblick auf Lesekompetenz denkbar; ansonsten ist es gerade in der Elementarstufe sowohl hinsichtlich Aussprache als auch Ausdrucksfähigkeit unbedingt ratsam, die Sprache mithilfe qualifizierter Chinesisch-Lehrkräfte zu erlernen.
8. Wie sieht kompetenzorientierter Chinesischunterricht aus?
Die bei weitem meisten Kurse zielen auf die Entwicklung aller vier Fertigkeiten, Hören, Sprechen, Lesen und Schreiben, ab. In der Regel vergehen die ersten vier Wochen mit einer Einführung in die Aussprache, mit der sprachlichen Bewältigung von Alltagssituationen, mit dem Erlernen der auf dem lateinischen Alphabet basierenden Umschrift „Pinyin“ und mit einer Einführung in die Welt der Schriftzeichen. Die gesprochene Sprache bereitet allenfalls am Anfang wegen ihres ungewohnten Laut- und Tonsystems größere Probleme, bringt aber dann aufgrund ihrer sehr einfachen Grammatikstruktur rasche Erfolgserlebnisse. So werden mancherorts auch Intensivkurse angeboten, in denen die Teilnehmer in wenigen Wochen bereits erstaunliche mündlich-kommunikative Fähigkeiten erwerben.
Das Erlernen der chinesischen Schrift mit dem Lernziel Lese- und Schreibkompetenz erfordert hingegen viel Zeit und Ausdauer. Im Gegensatz zur gesprochenen Sprache ist hier eine gute Lesefähigkeit erst nach intensivem Studium zu erreichen.
Eine weitere Schwierigkeit besteht für den Lernanfänger darin, dass er sich - und das meist ohne jegliche Vorkenntnisse - in die historischen und soziokulturellen Hintergründe eines zunächst völlig fremden Kulturkreises einarbeiten muss, der Jahrtausende autonomer Entwicklung und weite geographische Räume umfasst. Mehr als für die meisten anderen Fremdsprachen gilt also beim Chinesischen der Grundsatz, dass der Erwerb von sprachlichen Fähigkeiten nur in einem entsprechenden kulturwissenschaftlichen Kontext möglich ist und dass gute Chinesischkenntnisse auch ein tief gehendes Verständnis der chinesischen Gesellschaft und Kultur bedingen.
Es ist daher sinnvoll, sich beim Erwerb der chinesischen Sprache frühzeitig über die eigenen Lernziele klar zu werden und diese insbesondere im Falle von Privatunterricht auch zu artikulieren.