CHUN 5 (1988)
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- » Peter Kupfer: Bericht zum II. Internationalen Symposium für Chinesisch als Fremsprache und Gründung der Internationalen Gesellschaft für Chinesischunterricht in Beijing
- Satzung der Internationalen Gesellschaft für Chinesischunterricht (deutsch/chinesisch)
Beiträge
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- Chen-ching Li: An MTC Case Study of International Cooperation for Teaching Chinese as a Second Language
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- Wolfgang Lippert: Zu den Begriffen Verbalaspekt und Aktionsart im modernen Chinesisch
- Horst Kurhofer: Der Aspekt
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- Marianne Altmeyer: Vorschläge für die Entscheidungskriterien bei der Curriculumentwicklung im Fach Chinesisch an deutschen Gymnasien
Chinesischunterricht im Überblick
- Brigitte Kehnen: Chinesischunterricht an den Volkshochschulen in der Bundesrepublik
- Chinesisch an den Gymnasien der Bundesrepublik einschl. Berlin (West) (Stand Febr. 1988)
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- Anke Hoffmann/ Jörn Beißert: Chiao Wei/Zhang Yushu/ H. Schmidt-Glintzer: China-Texte
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Bericht zum II. Internationalen Symposium
für Chinesisch als Fremdsprache und zur Gründung der Internationalen Gesellschaft für Chinesischunterricht in Beijing
Peter Kupfer
Mit erstaunlichem Organisationstalent haben die Sprachenhochschule Beijing (Beijing Yuyan Xueyuan) und die Chinesische Forschungsgesellschaft für Chinesisch als Fremdsprache (Zhongguo Duiwai Hanyu Jiaoxue Yanjiuhui) unter der engagierten Leitung ihres Präsidenten und Vorsitzenden Lü Bisong nach nur sieben- bis achtmonatiger Vorbereitungsdauer die größte Tagung veranstaltet, die weltweit jemals zum Thema Chinesisch als Fremdsprache stattfand. Wichtigstes Begleitereignis war dabei die auf vielseitigen Wunsch hin vollzogene Gründung einer entsprechenden Weltorganisation.
Angeregt durch Impulse und Vorschläge, die von unserem Symposium im Oktober 1986 in Soest ausgegangen waren (vgl. Bericht in CHUN Nr. 4/1987), begannen die chinesischen Fachvertreter nach ihrer Rückkehr mit der Organisation des "II. Internationalen Symposiums für Chinesisch als Fremdsprache" (Di er jie guoji Hanyu jiaoxue taolunhui), das vom 10. bis 14. August 1987 am nördlichen Stadtrand von Beijing im Xisanqi-Hotel abgehalten wurde. Die Organisatoren verzichteten diesmal bewußt auf eine luxuriöse Tagungsstätte, wie man sie noch vor zwei Jahren für die Durchführung des I. Internationalen Symposiums gewählt hatte, das im renommierten Xiangshan-Hotel in der malerischen Landschaft der "Duftberge" veranstaltet worden war. Die diesmalige rustikale Umgebung und die schlichte, aber aufrichtige Gastlichkeit des von einem landwirtschaftlichen Kollektiv geführten Hotels vermittelte den Teilnehmern eine Atmosphäre der Geborgenheit und Intimität, die das gegenseitige Kennenlernen und die Fachsimpelei mit Kollegen aus China und knapp zwanzig Ländern erleichterte.
Schwierig war die Orientierung allemal, auch wenn fünf Tage lang konferiert wurde. Immerhin waren annähernd 300 Teilnehmer erschienen, die Mehrzahl von den inländischen Hochschulen, aber auch größere Gruppen aus den USA, Japan, Singapur und Hongkong. Eine Bereicherung war die erstmalige Teilnahme von drei sowjetischen Fachvertretern der wichtigsten sinologischen Zentren Moskau, Leningrad und Wladiwostok, und einem ungarischen Kollegen. Durch einen Teilnehmer aus Kairo konnte man erfahren, daß auch an der dortigen Universität modernes Chinesisch für eine kleine Elite intensiv betrieben wird. Die Bundesrepublik war durch fünf AFCh-Mitarbeiter repräsentiert (Bo Yixian, Peter Kupfer, Anton Lachner, Wolfgang Lippert, Wang Shouchun). Ein Wiedersehen gab es mit Prof. Klaus Kaden, Humboldt-Universität, Berlin/DDR, der zusammen mit seinem Kollegen Dr. Ulrich Kautz gekommen war. Bekannte Namen auf der chinesischen Teilnehmerliste waren etwa Lü Shuxiang, Zhu Dexi, Yu Min, Zhang Zhigong und Zhou Youguang. Daneben waren Vizeminister He Dongchang und andere Vertreter der Staatlichen Erziehungskommission zeitweise anwesend, die damit bezeugten, daß dem Chinesischen als Fremsprache von offizieller Seite eine wachsende bildungspolitische Bedeutung beigemessen wird. Dies bestätigte sich auch in Grußworten, die Ministerpräsident Zhao Ziyang, Stellvertretender Ministerpräsident und Minister der Erziehungskommission Li Peng, die Vorsitzende der Politischen Konsultativkonferenz Deng Yingchao und andere führende Politiker anläßlich des Symposiums und der Gründung der Weltorganisation sandten. Ein verstärktes Interesse der Öffentlichkeit dokumentierten die zahlreichen Vertreter der nationalen Presse und des Fernsehens, die während der ganzen Tage zwischen den Hotelzimmern wechselten und jede Pause ausnutzten, um diese für strapaziöse Interviews und Filmaufnahmen zu belagern.
Der beachtliche Andrang von über 260 Referenten - zur Vorinformation stand bei Beginn der Tagung bereits eine Dokumentation mit den Zusammenfassungen von mehr als 180 Referaten zur Verfügung - führte dazu, daß am 3. und 4. Tag Sitzungen mit immerhin acht Gruppen organisiert worden waren, die thematisch aufgegliedert parallel in verschiedenen Räumen und Gebäuden des Hotelkomplexes tagten. Es wurden alle erdenklichen Fragen zur allgemeinen Fremdsprachendidaktik, zur Theorie und Praxis des Chinesischunterrichts, zur Erstellung von Lehrmaterialien sowie zur linguistischen Forschung in den verschiedenen Bereichen der Phonetik, Grammatik, Schrift, Wortschatzstatistik, EDV usw. berührt und diskutiert, so daß es unmöglich wäre, hier einen Überblick zu geben. In jedem Falle hatte man die Qual der Wahl, konnte aber sicher sein, für jedes interessierende Thema und Forschungsgebiet ein Forum oder zumindest kompetente Ansprechpartner zu finden. Am Rande der Tagung wurden die Teilnehmer mit einer Reihe von Einladungen verschiedener Hochschulen und wissenschaftlicher Institutionen, wie z.B. der Staatlichen Kommission für Sprach- und Schriftarbeit (ehemals "Schriftreformkomitee"), geehrt, die das Programm bis zur letzten freien Minute anfüllten. So war es zeitlich kaum noch möglich, die in den zentralen Hotelhallen aufgebauten Bücher- und Lehrmittelaustellungen, Video- und Computerdemonstrationen zu besuchen.
Abgesetzt von den eigentlichen Tagungsaktivitäten versammelten sich bereits am Tag vor der Eröffnung die elf Gründungsmitglieder der Weltorganisation aus China, Frankreich, Großbritannien, Hongkong, Singapur, den USA und der Bundesrepublik Deutschland auf Einladung und unter Vorsitz von Präsident Lü Bisong. In Tag- und Nachtsitzungen wurden im Laufe der Woche die Organisationsform der zu konstituierenden Gesellschaft und eine Satzung (vgl. die folgenden Seiten in diesem Heft) im Konzept ausgearbeitet, die in möglichst demokratischer Weise die vielfältigen Interessen und Kooperationsmöglichkeiten der Kollegen aller Länder zu berücksichtigen hatte. Auf chinesischer Seite haben sich neben Lü Bisong mit großem Engagement ein leitender Vertreter der Staatlichen Erziehungskommission sowie die beiden bekannten Sprachwissenschaftler Zhu Dexi und Zhang Zhigong beteiligt. Zwei Tage vor der offiziellen Gründung trat ein weiterer Planungsausschuß zusammen, in dem noch weitere Staaten repräsentiert waren, u.a. auch die UdSSR. Nach mehrmaliger Überarbeitung der Satzung und der Modalitäten waren pünktlich zum Abschluß des Symposiums und zur Zufriedenheit aller die formellen Voraussetzungen für die Konstituierung der Gesellschaft geschaffen. Sie wurde auf einer offiziellen Gründungsversammlung am Vormittag des 14. August und am Abend desselben Tages auf einem Bankett im Kunlun-Hotel auf Einladung der Staatlichen Erziehungskommission feierlich begangen.
Die Gesellschaft trägt den chinesischen Namen "Shijie Hanyu Jiaoxue Xuehui" und die englische Bezeichnung "International Society for Chinese Language Teaching". Wie aus der Satzung hervorgeht, ist ihr wichtigstes Ziel die Förderung der Didaktik und Erforschung des Chinesischen als Fremsprache im Rahmen eines verstärkten internationalen Austausches und einer intensivierten weltweiten Kooperation. Damit soll ein Beitrag für die gegenseitige Verständigung und die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Völkern und nicht zuletzt auch für den Weltfrieden geleistet werden. Der für drei Jahre gewählte Ständige Vorstand setzt sich aus neun Mitgliedern (Bundesrepublik Deutschland, Hongkong, Japan, Singapur, UdSSR, USA und VR China) zusammen. Vorsitzender der Gesellschaft ist Zhu Dexi (Universität Beijing), sein Stellvertreter Lü Bisong und der Geschäftsführer Zhang Yajun (beide Sprachenhochschule Beijing). Im 36köpfigen Vorstand befinden sich Repräsentanten verschiedener chinesischer Hochschulen und aus 14 Ländern (einschl. Hongkong und Macao). Die Bundesrepublik ist angesichts der Tatsache, daß sie, gemessen an der Zahl der Chinesischstudierenden, nach Japan und den USA in der Welt an dritter Stelle steht, durch drei Kollegen vertreten (A. Lachner, W. Lippert, P. Kupfer). Die Gesellschaft hat ihren Sitz an der Sprachenhochschule Beijing und gibt die Vierteljahreszeitschrift SHIJIE HANYU JIAOXUE (Chinesischunterricht International) heraus. Die ersten beiden Nummern sind bereits erschienen.
Nunmehr wird regelmäßig alle drei Jahre ein größeres internationales Symposium turnusmäßig in verschiedenen Ländern veranstaltet. Das nächste ist für 1990 wiederum in China geplant. Nach den ersten offiziellen Fachkontakten 1986 in Soest und dem politischen Tauwetter zwischen beiden Teilen Chinas seit Ende 1987 besteht die berechtigte Hoffnung, daß dann auch die Kollegen aus Taiwan anwesend sein können.